Klaus Minges, Dr. phil.


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Die Sammlung als Medium des Weltbildes

Bemerkungen zur Rezension von Beat Wyss zu Horst Bredekamps Buch "Antikensehnsucht und Maschinenglaube"

von Klaus Minges (erschienen in der "Kunstchronik" April 1994, S. 229-235)



Die Rezension zu Bredekamps tour de force durch die Sammlungs- und Geistesgeschichte der frühen Neuzeit entwickelt dessen Schlußfolgerungen zu einer anregenden kunstphilosophischen Überschau. Mit der Reflexion der Thesen ohne Prüfung ihrer Grundlagen redet Wyss allerdings einer freischwebenden Ideengeschichte das Wort, die nicht unkommentiert bleiben darf, denn für eine "Pflichtlektüre der Museologie" hat das Buch zu viele gravierende Unzulänglichkeiten.

Die von Bredekamp beschriebene Sehnsucht nach Automation und künstlicher Lebendigkeit, von Wyss bis zu den virtuellen Erlebnisräumen der Unterhaltungscomputer weitergedacht, dient beiden als Ausgangspunkt für die Frage nach der Zukunft der Kunstgeschichte, unterläßt aber eine wichtige Differenzierung. Spätestens seit der Panoramenmalerei gilt es zu unterscheiden zwischen illusionistischer Kunst, die auf den Eindruck des Betrachters abzielt, und visionärer Kunst, die vom Ausdruck des Künstlers dominiert wird. Die Illusion orientiert sich am Objekt und läßt sich inzwischen mit technischen Mitteln verändern und reproduzieren, während die Vision des Künstlers an dessen Persönlichkeit und das originale Kunstwerk gebunden bleibt. Die Kunstkammer, deren öffentliche Zugänglichkeit oft weit unterschätzt wird, war das Medium der frühen Neuzeit, in dem Kunst als Vision und Illusion vermittelt wurde und außerdem Objekte aus Natur, Geschichte und Technik das Bild von der Welt formten. Wyss bezeichnet die universale Sammlung zu Recht als "Monade", wie es ihr Anspruch, ein Mikrokosmos zu sein, impliziert. Der Ansatz ihrer Erforschung geht nicht vom Künstler, sondern vom Betrachter aus und ist daher aus heutiger Sicht primär Medienwissenschaft. Die Illusion diente auch damals schon als ein Mittel zur Beeinflussung der Rezipienten, das oft genug mit der Kunst in Konkurrenz stand, wie die Anekdote von Cellini zeigt.

Wo bislang als Thema der Kunstkammer nur eine flächenhafte Beschreibung des Makrokosmos im Rahmen des Begriffspaares Naturalia / Artificialia beobachtet wurde, postuliert Bredekamp eine Viererkette aus den Begriffen Naturform, Antike, Kunst und Maschine als strukturbildenden Gedanken. Die Rezension unterschlägt die zentrale These Bredekamps: Diese Kette sei als historische Leitlinie aufzufassen, denn die Natur entspreche der Ur- und Frühgeschichte, da die Zeugnisse beider aus der Erde kommen, während die Kunst das zeitgenössische Schaffen darstelle und Maschinen einen Ausblick in die Zukunft gäben. "Als These sei formuliert, daß die Historisierung der Natur bereits im Horizont der Kunstkammern des 16.-18. Jahrhunderts lag." (S. 17) Die visuelle Erfahrung der Kunstkammerobjekte habe zu einer Dynamisierung der Natursicht geführt, "die durch puren Augenschein zu einer historischen Vertiefung der Naturgeschichte gelangte." Kants Bestimmung des Begriffs Naturgeschichte als Veränderung der Natur im Laufe der Zeit statt dem alten Verständnis als Naturbeschreibung beruhe auf zweihundertjährigem "geschichtlichem Tiefendenken". Dies ist eine Mutmaßung, deren Bestätigung der Geistesgeschichte eine neue Dimension verleihen würde, denn bis heute gilt die Meinung, vor der Aufklärung sei ein stringentes Entwicklungsdenken weder in der Natur- noch der Geisteswissenschaft und schon gar nicht in den Sammlungen spürbar. Bredekamp geht zur Erläuterung seiner These anhand dreier bildlicher Darstellungen aus dem Sammlungswesen auf das Verhältnis der Bereiche Naturalia, Artificialia und Antike ein, die das Gros aller Sammlungsobjekte abdeckten. Am Londoner Porträt eines Sammlers von Parmigianino, dessen Hintergrund links von einer in der Bosse stehenden Skulptur und rechts von einer Landschaft gebildet wird, konstruiert er mittels Einordnung der Skulptur ins Reich der (überformten) Mineralien eine Mittlerrolle der Antike zwischen Mensch und Natur (S. 19 f). Die Natur, der die Zeit vor der Antike zugeordnet wird, stelle mit dieser eine historische Kontinuität bis zur humanistisch geprägten Gegenwart, die durch die Kunst repräsentiert würde. Löst man sich aber von Bredekamps These und betrachtet die Skulptur als Kunst, so bietet sich für das Bild eine andere Interpretation an: Der Mensch steht als formende Kraft zwischen Natur und Kunst.

Die Stellung der Antike als Mittler zwischen Mensch und Natur sucht der Autor an zwei weiteren Bildquellen zu belegen, einem Kupferstich der Metallotheca Mercati und dem berühmten Sammlerporträt des Earl of Arundel von Mijtens (S. 21 ff). Beide Bilder zeigen die zentralperspektivische Darstellung eines Sammlungsraumes. Der Fluchtpunkt des ersteren liegt in einem antiken Rundtempel mit Statue; beim Arundel-Porträt geht der Blick durch die Antikengalerie in die weite Landschaft. Auch hier bietet sich gegen Bredekamp die Auffassung an, daß nicht etwa das menschliche Auge über die Antiken hinaus in die Natur, den Urprung des Seins, geführt wird, sondern daß jenseits des antik geprägten Raumes die wuchernde Unordnung steht. Denn im Stich öffnet sich bei genauem Hinsehen kein reziproker Perspektivkegel, sondern eine bewachsene Ruine steht quer. Beim Arundel-Porträt verhindert eine Abschrankung das Durchschreiten des Torbogens am Ende der Galerie. Die Antike vermittelt nicht zur Natur, sondern sie ist umgekehrt die Schwelle vom Chaos zum Kosmos, von der Wildnis zur geordneten Welt der zivilisierten Menschheit.

An dieser Stelle soll Bredekamp aber auch verteidigt werden, denn gerade der einzige ernsthafte Kritikpunkt des Rezensenten ist nicht stichhaltig: Die Ethnologica-Sammlung der Habsburger diente nicht der Illustration imperialer Gelüste. Diese Ansicht, ein Relikt neomarxistischer Geschichtsschreibung, wird einerseits widerlegt durch die Begierde, mit der auch machtlose Duodezfürsten die Raritäten ferner Länder horteten, andererseits durch die Korrektur der bisher unbefriedigenden Interpretation der ersten theoretischen Gliederung der Kunstkammern von Quiccheberg (1565). Bredekamp übernimmt die Deutungen der älteren Literatur, die als vorherrschendes Moment das Lob des Landesfürsten und die Beschreibung seines Territoriums betonten. Eine solche Beschränkung ist aus Quicchebergs Entwurf nicht abzulesen. Es ist bisher übersehen worden, daß seine Klassifikation mehreren verschiedenen Richtlinien folgt: Die Gruppen der ersten Klasse folgen zunächst dem hierarchischen Prinzip; Christentum vor Fürstenwidmung, sodann der Rest der Welt nach Maßgabe der sieben Planeten. Jede Gruppe ist einem Ausschnitt des irdischen Wirkens eines Planeten gewidmet, was an den damals verbreiteten Zyklen der Planetenkinderbilder leicht zu überprüfen ist. Sol als Patron der Herrscher erscheint in der Gruppe der Fürstenwidmung. Geographische Karten repräsentieren die Erde, Stadtansichten den Saturn, der auch als Patron der Städtegründer galt. Krieg und Lustspiel stehen für Mars und Venus, jagdbares Wild und Fischfang beziehen sich auf Schütze und Fische, die beiden Häuser des hier als Jagdpatron verstandenen Jupiter. Aedificorum exempla ex arte fabrili gehören zu Merkur, dem Gott des Kunsthandwerks, während die Maschinenmodelle, die alle mit Wasser zu tun haben, dem Mond zuzuordnen sind. Die erste Klasse bildet also nicht in erster Linie das Territorium des Sammlers, sondern den astrologisch bestimmten Stufenkosmos des frühneuzeitlichen Neoplatonismus ab, wie es für einen Mikrokosmos naheliegt. Zweite und dritte Klasse zeigen Beispiele der Artificialia und Naturalia. Die vierte Klasse enthält neben einer präzisen Illustration der Artes mechanicae nach Hugo von St. Victor auch das Quadrivium der Artes liberales aus Musik, Geometrie, Astronomie und Arithmetik. Die fünfte Klasse nimmt alles auf, was Quiccheberg nach den bis dato benutzten Ordnungen nicht berücksichtigen konnte. Die einzelnen Gruppen sind so angelegt, daß alle Arten von Vergleichen möglich sind. Diese der Idee des Paragone entsprechende Methodik des Vergleichs unterschiedlichster Dinge ist ein Charakteristikum der frühen Neuzeit; nicht die Kontinuität, sondern der Kontrast stand im Vordergrund. Hier liegt der Grund für die gesuchte Gegeneinanderstellung von Natur und Kunst, von antik und neu, von heimisch und exotisch. Entsprechend vielschichtig zeigte sich die Ordnung in den realen Kunstkammern. Auch Bredekamp erwähnt öfter den Vergleich als Methode, aber er erkennt nicht seine gestalterische Kraft. Statt dessen bezieht er aus dem Nebeneinander von Antike und Moderne sowie dem mehrfachen Auftreten von Maschinenmodellen Belege für seine historische Kette. Ohne die Brille dieser These ist eine zeitliche Abfolge in Quicchebergs Werk nicht auszumachen, vor allem da die Antiken nicht als geschlossene Gruppierung erscheinen. Auch bei der Untersuchung der realen Bestände in den habsburgischen Kunstkammern von Ambras und Prag gelingt es Bredekamp nicht, eine historische Verknüpfung schlüssig nachzuweisen.

Autor und Rezensent übersehen, daß die Einheit der Kunstkammern bereits im 17. Jh. ein Ende fand. Die Auffassung vom Kosmos als Maschine konnte für den Mikrokosmos der Kunstkammer nicht ohne Konsequenz bleiben. Das "Mechanicon" Keplers, der Entwurf für ein Modell der von den fünf platonischen Körpern definierten Planetenbahnen, wäre die perfekte Projektion des kartesischen Denkens in die Kunstkammer gewesen. Bredekamp vergißt aber zu erwähnen, daß die Ausfertigung des Entwurfs wegen praktischer Undurchführbarkeit nie beendet wurde. Das Beispiel ist symptomatisch: Kunstkammer und Kartesianismus vertrugen sich nicht, denn die Betrachtung von Kosmos, Mensch und Natur als Maschine nivellierte die alten Strukturen. Ingo Herklotz erläutert dies in seinem Literaturbericht, ebenfalls im Märzheft dieser Zeitschrift, genauer.

Bereits die Uffizien von 1589 als Komplex aus Tribuna, Galerie, Kabinetten, Werkstätten und Labors sprengten den architektonischen Rahmen einer Kunstkammer, während ihr Konzept mit der Ordnung nach Planeten und Elementen noch der kosmologischen Theorie verhaftet blieb. Die Erweiterung des Sammlungskomplexes mit Labors und Werkstätten, in denen Scientifica und Maschinen zu Forschung und Produktion benutzt wurden, vollzog sich ab etwa 1600 auch in anderen großen Staatssammlungen. Nach und nach wuchs der Sammlungskomplex der Paläste zur staatlichen Infrastruktur der Akademien und Manufakturen heran und ging in der Realität des Makrokosmos auf. Die autonomen Forschungs- und Lehrsammlungen nahmen die Abbildungsfunktion eines Mikrokosmos nicht mehr wahr. Die Kunstkammern verloren an Interesse und stellten seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nicht mehr das kulturelle Zentrum eines Hofes dar. Nach der Jahrhundertmitte erfolgten keine Neugründungen mehr, dagegen sind erste Spaltungstendenzen in Dresden bereits für 1610 belegt, bei den Habsburgern für 1661. Schon früh im 17. Jh. entstanden Spezialsammlungen, von denen nur die von Jabach und Worm genannt seien. Die Sammler statteten ihre Kollektionen nur noch gelegentlich mit Hinweisen auf das kosmologische System aus. Im allgemeinen dienten Gemälde und antike Skulpturen der Repräsentation in Schloßgalerien, während antike Münzen und Inschriften in den Kabinetten der Antiquare verschwanden und Naturalien eigene Sammlungen füllten, deren Funktion sich von der Darstellung des Kosmos gelöst hatte. Diese Aufgabe war im Sinne des mechanistischen Weltbildes der Uhr und auch der Bibliothek zugefallen.

Welche Vorstellungen Existenz und Struktur der Sammlungen prägten, läßt sich zuverlässig an der Philosophie verifizieren oder negieren. 1623 schrieb Bacon seine Utopie Nova Atlantis, die zwar mit ihrer Gliederung nach den vier Elementen, den Künsten und den fünf Sinnen eine kosmologische Mehrfachstruktur ähnlich der Quicchebergs als Aufbauprinzip für den Wissenschaftskomplex des fiktiven Inselstaates übernahm, aber einer Kunstkammer keinen Platz einräumte. Im Gegenteil, die Beschreibung der wissenschaftlichen Einrichtungen liest sich wie ein Anti-Kunstkammer-Programm. Alleinige Aufgabe der Forscher ist das Experimentieren mit den Dingen der Natur, ihre Veränderung zum Nutzen des Menschen und die Produktion. Das Wort Sammeln kommt in Bacons Beschreibung nicht vor. Selbst die Boten, die in die Länder der Welt geschickt werden, um Neuheiten zu aufzuspüren, suchen ausschließlich Literatur über neue Versuche. Als einzig sammlungswürdigen Bereich aller Wissenschaft läßt Bacon neben einer Porträtgalerie die Scientifica gelten. Durch das Weglassen der Kunstkammer bringt er seine Ablehnung der Auffassung zum Ausdruck, alleinige Naturbeschreibung könne zu neuer Erkenntnis führen. Bacons utopisches Konzept antizipierte den Bedeutungsverlust der universalen Kunstkammer, gab aber für die aus ihr hervorgegangene Naturphilosophie den Weiterweg an: Die modernen Wissenschaften müssen sich von der permanent beschreibenden Naturgeschichte trennen, um sich nutzbringend weiterentwickeln zu können.

Wiederum bleibt die Interpretation einer Bildquelle, die der Autor als Beleg für eine anhaltende Präsenz der Kunstkammer-Idee anführt, zweifelhaft. Er liest einen Stich Marilliers mit dem Titel Die Philosophie von 1762 als Idealbild der Kunstkammer (S. 48). Naturalien und wissenschaftliche Geräte umgeben ein grübelndes Melancholie-Kind unter einem ruinösen Torbogen, der nach Bredekamp die Antike repräsentiert. Er erweist sich jedoch als barocker Korbbogen, und das "Landschaftsrelief", das als einziges Objekt für die Kunst in Anspruch zu nehmen wäre, ist ein Stück des natürlich gewachsenen Ruinenmarmors, einer ungleichmäßig verfärbten Marmorvarietät aus der Toskana, die zwar gerne als Landschaft gelesen wurde, aber keine war. Die abgebildeten Naturalien und Scientifica allein sind nicht der Kunstkammer verpflichtet. Eine Begriffshistorisierung hätte gezeigt, daß Philosophie neben ihrer heutigen Bedeutung in der frühen Neuzeit auch die Naturphilosophie umfaßte, deren Gegenstand die Erklärung der Natur darstellte, im Gegensatz zur Naturgeschichte, deren Inhalt die Naturbeschreibung war. Der Stich zeigt also keineswegs eine Kunstkammer, sondern illustriert lediglich das Betätigungsfeld der Naturphilosophen, die aber ohne enzyklopädische Sammlung auskamen.

Im kurzen Text der Rezension von Wyss fällt der Widerspruch zwischen der "Monade" der Renaissance-Kunstkammer und den kunst- und geschichtslosen Laboratorien der neuen Wissenschaften deutlicher ins Auge als im Buch selbst. Bredekamp verwendet den Begriff Kunstkammer ungeachtet des Verlustes von architektonischer und ideeller Einheit weiter. Er fixiert ihn an dem Begriffstrio Naturalia / Artificialia / Scientifica und unterscheidet nicht zwischen dem abstrakten Gliederungsprinzip der Philosophie und der Realität der barocken Sammlungen, die er nicht mehr prüft. Die Fülle der Belege, die er aus dem 18. Jahrhundert für die Auflösung der Kunstkammern zitiert, zeigt nur noch den Kampf der Wissenschaftler gegen die Trägheit rückständiger Landesherren und Amateure, deren traditionelle Kunstkabinette schon die Verachtung gebildeter Zeitgenossen auf sich gezogen hatten.

Um auf den Text von Wyss und auch das Resümee von Herklotz zurückzukommen: Die späten Kunstkammern als Restbestände der Renaissance-Kosmologie waren in der Tat anachronistisch, aber sie bildeten nicht die Vorstufe historischer Kunstwissenschaft. Als Medium des alten, erst mit der Aufklärung endgültig obsolet gewordenen Weltbildes hatten sie ihre Position als Ort der Erkenntnis längst an die akademischen Studiensammlungen verloren. In den Antiken- und Gemäldegalerien der Spezialisten begann die Würdigung der schöpferischen Sehweise autonomer Künstler, zunächst aber ohne historische Verknüpfung. Winckelmanns Verdienst ist es, für die Geschichte der Kunst des Altertums erstmals eine Kunstsammlung als Forschungsmittel benutzt und damit auf das Niveau der Wissenschaft gehoben zu haben. Eine "Begründung der Theorie des modernen Kunstmuseums" (S. 89) ist sein Werk nicht; es verbreitete nur die Gedanken, die Maffei, Caylus und Christ in der Frühaufklärung erstmals formuliert hatten. Mit dem Sprung ins revolutionäre Museumswesen von Paris übergeht Bredekamp die Einführung der geographisch-chronologischen Ordnung in den Jahren 1778-1782 durch Christian von Mechel im Wiener Belvedere. Mechel bezog seine Idee aus der von Mariette aufgebauten Graphiksammlung des Prinzen Eugen; Winckelmanns aufklärerisch gefärbte Vorstellungen spielten am Habsburger Hof allenfalls eine Nebenrolle. In Frankreich setzte sich das kunsthistorische System erst mit der Neugestaltung des Louvre von 1797 durch, obwohl (oder gerade weil) Mechel sein Projekt bereits 1776 an den königlichen Intendanten d'Angivillers geschickt hatte.

Die chronologisch geordneten bürgerlichen Museen gewannen als Vermittler des Historismus wieder stärker medialen Charakter und stehen damit in der Nachfolge der Kunstkammern, obgleich sie ihre Struktur aus den akademischen Sammlungen bezogen. Diese Verknüpfung von Kunstvermittlung und Wissenschaft im Rahmen des geltenden Weltbildes ist die Leistung des bescholtenen Kunsthistorismus. Ein "fatales Erbe" (Wyss) ist das nur, wenn die Kunstgeschichte in kulturpessimistischer Musealisierung der traditionellen Künstler erstarrt, während sich das Publikum mit den zukunftweisenden Visionären wieder der Illusion zuwendet und sich an den reproduktiven Techniken und Massenmedien orientiert. Wenn früher das Weltbild die Medien prägte, so sind heute die Rollen vertauscht. Den kreativsten und schnellebigsten Bereich der zeitgenössischen Kunst, nämlich Graffiti, Computerkunst und Videoclips, kann die Kunstgeschichte nur aufarbeiten, wenn sie auch Medienwissenschaft wird und so dem homo ludens auf den Fersen bleibt.

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Klaus Minges · Mail: klausminges@yahoo.com · Web: www.minges.ch