Klaus Minges, Dr. phil.


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Franz Zelger*:

Sammeln in der frühen Neuzeit

Eine Untersuchung von Klaus Minges

(Rezension in der Neuen Zürcher Zeitung am 8.9.1998, S. 47)


In seiner Dissertation über «Das Sammlungswesen der frühen Neuzeit» geht es Klaus Minges nicht nur darum, aufzuzeigen, nach welchen Richtlinien die Sammler ihre Kollektionen aufbauten, wie sie ihre Schätze präsentierten, sondern mehr noch um die Frage: Wie und warum änderten sie ihre Präsentation im Laufe der Zeit?
Durch die Aufschlüsselung der frühesten sammlungstheoretischen Abhandlung, der «Inscriptiones vel tituli theatri amplissimi ... » (1565) des flämischen Arztes Samuel van Quiccheberg, gelingt es Klaus Minges, die Ordnungskriterien frühneuzeitlicher Kollektionen verständlich zu machen. Quiccheberg, der als Berater des Herzogs Albrecht V. in München amtierte, beschreibt in seinem Konzept die Sammlung als «Theatrum mundi». Dieses fand denn auch in Architektur und Sammlungsbestand der Kunstkammer seinen konkreten Niederschlag. So orientierte sich zum Beispiel, was bisher nicht bekannt war, die Ordnung der Dresdner Kunstkammer an Quicchebergs «Theatrum». Seit dem späten 16. Jahrhundert entstanden neben den enzyklopädisch angelegten Studioli und Kunstkammem der Fürstenhäuser vermehrt Spezialsammlungen. Ein fachlich orientierter Sammler der neuen Generation, ob Fürst, Gelehrter oder Dilettant, konzentrierte sich vollständig auf das von ihm favorisierte Gebiet, dem er sich mit ganzer Leidenschaft widmete. Der Mikrokosmos stand nicht mehr im Zentrum des Interesses. Dennoch hat die Idee, «das Wissen aller Zeiten zu bündeln», die Diderot mit seiner Enzyklopädie vertrat, ihre Faszination nie ganz eingebüsst. «Was», wie Minges schreibt, «verlorenging, ist das immanente geschlossene, diskontinuierliche Weltbild, zu dessen Beschreibung die Kunstkammern einst angelegt worden waren.»

Seit Beginn des «Grand siècle» lässt sich die Entwicklung der «Kunstgalerie» im Sinn eines Sammlungsraumes aufspüren. Als erstes Beispiel einer Gemäldegalerie mit variabler Bildausstattung gilt die Kollektion der spanischen Habsburger im Alcàzar zu Madrid, der Philipp IV. das Gepräge gegeben hat. Durch zahlreiche Ankäufe und durch Aufträge an die Weltelite der Maler brachte er die Gemäldebestände auf über 5000 Werke. Mehr und mehr verschwanden in der Folge die enzyklopädischen Sammlungen auch im übrigen Europa aus dem repräsentativen Bereich. Der Siegeszug der Kunstgalerie setzte ein. Es gab verschiedene Möglichkeiten, die Bilder zu ordnen, nach Genres oder nach Präferenzen der Besitzer, die üblicherweise ihre «pièces de résistance» in den Repräsentationsräumen - primär im Empfangssaal - placierten. Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstand die sogenannte Bildertapete, ein Trauma aus dem Blickwinkel moderner Ästheten. Dabei achteten die Ausstatter des Barock darauf, dass möglichst kein Stückchen Wand mehr sichtbar blieb.
Die Aufklärung förderte schliesslich die Bestrebungen, das Sammlungswesen zum Nutzen der Allgemeinheit zu institutionalisieren. Der Weg zum bürgerlichen Museum war somit geebnet, wobei festgehalten werden muss, dass grundsätzlich unzugängliche Sammlungen zu allen Zeiten Ausnahmen waren.

Als akribischer Forscher verfolgt Minges anhand von zahlreichen Sach- und Schriftquellen die Einflüsse von Philosophie und Literatur auf das Sammlertum bis zum Einsetzen des Historismus. Er leistet mit dieser facettenreichen Abhandlung eine fundierte, kontinuierliche und epochenübergreifende Bearbeitung eines aktuellen Themas, das in jüngster Zeit durch vielbeachtete Monographien und Ausstellungen in den Blickpunkt des kulturgeschichtlichen Interesses gerückt ist.
Franz Zelger

Klaus Minges: Das Sammlungswesen der frühen Neuzeit. Kriterien der Ordnung und Spezialisierung (Museen - Geschichte und Gegenwart, Band 3). Lit-Verlag, Münster 1998, ISBN 3-8258-3607-x. 257 S., Abb., Fr. 46.-

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* Franz Zelger ist Ordinarius für Kunstgeschichte an der Universität Zürich

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Klaus Minges · Mail: klausminges@yahoo.com· Web: www.minges.ch