Dr. Klaus Minges |
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Koloniale KulturDas Leben
der Europäer in Südafrika wies und weist koloniale Züge auf, die einem
universalen Muster folgen. Weit entfernt vom Mutterland kann eine Kultur
nicht dieselbe bleiben, denn sowohl das Umfeld als auch die Menschen
unterliegen fremden Einflüssen. SOZIALESGrundlegend ist das zentrifugale Element, die oft eher unfreiwillige Bewegung der Kolonisten an den geographischen Rand der eigenen Kultur. Dort herrscht weniger wirtschaftlicher und sozialer Wettbewerb; damit ziehen die Kolonien all jene an, die aus den verschiedensten Gründen mit den Bedingungen in den Brennpunkten der heimischen Kultur nicht zurechtkommen. Anton Anreith zum Beispiel, am Kap ein heute noch gefeierter Bildhauer mit Rokoko-Repertoire (Lutheran Church, Groot Constantia etc.) ging aus Deutschland weg, weil dort die neue Epoche des Klassizismus Einzug gehalten hatte, in welcher seine Putten und Girlanden nicht mehr gefragt waren. Die Träger
der dislozierten Kultur, seien es Künstler, Akademiker oder Politiker,
verfügten schon im Mutterland oft nicht über das entscheidende
Quäntchen Talent, um sich behaupten zu können. In der Kolonie
fehlt ihnen zusätzlich das Bildungs-Netzwerk, das neues Wissen,
neue Einflüsse bereithalten könnte. Die Folge ist eine nur provinzielle
Qualität ihrer Werke und Taten; dennoch finden sie aufgrund der
geringeren Konkurrenz in der Regel ihr Auskommen. Gesellschaftlich zeigt sich eine Nivellierung der Hierarchien: Die Underdogs der Alten Welt steigen hier zum Mittelstand auf, Führungskräfte dagegen büßen vergleichsweise an Rang und Ansehen ein. RESSOURCENFachwissen ist generell knapp. Ausbildungsstätten haben, wenn überhaupt vorhanden, geringeres Niveau als das Mutterland, vor allem weil fähige Leute lieber produktiv arbeiten als lehren - schon aus finanziellen Gründen. Gute Lehrer sind nur zu gewinnen, wenn die Gesellschaft angemessen in die Tasche greift. Das Ökosystem ist unterschiedlich. Die Methoden zur Lebensbewältigung haben sich entsprechend anzupassen, was Vor- und Nachteile mit sich bringt. Die Verfügbarkeit von Wissen und Material aus dem Mutterland ist zwar geringer, im Gegenzug bieten sich aber neue Möglichkeiten, seien sie materiell oder ideell. Diese Ambivalenz fordert und fördert eine Kreativität, die so in der Heimat nicht gefragt wäre. KREATIVITÄTGleiches gilt für den Kontakt mit Menschen anderer Kulturen, seien es parallel zugewanderte oder autochthone. Sie üben auf den Dislozierten, den gleichsam "Entwurzelten", starken Einfluss aus, was in der Neuentstehung einer Sprache wie dem Afrikaans gipfeln kann. Bildende und darstellende Künste dagegen können sich kaum entfalten, denn Talente wandern in der Regel nicht zu, sondern ab. Im Handwerk findet sich statt kostspieliger Eleganz patinierter Charme; In der Architektur tritt Offenheit zur Natur an die Stelle städtischer Brandmauern. Das Ergebnis ist ein verminderter Lebensstandard, der aber ausgeglichen wird durch unverkrustete Strukturen und offene Horizonte, die der kreativen Entfaltung einer unangepaßten Persönlichkeit viel Spielraum lassen.
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